Vizeweltmeister mit deutschem Nationalteam

Am Sonntag holte Michael Härtel sich den größten Erfolg seiner jungen Karriere: Mit der deutschen Langbahn-Nationalmannschaft gewann der von der ADAC Stiftung Sport geförderte Fahrer in Mühldorf die Vizeweltmeisterschaft hinter dem neuen Weltmeister Großbritannien. Dabei konnte der mit 17 Jahren jüngste Teamfahrer in einem Langbahn-Nationalteam seine Nominierung durch Teamchef Josef Huckelmann vollauf rechtfertigen: Bis zu seinem Ausrutscher im letzten Rennen des deutschen Teams war Michi mit 14 Punkten auch erfolgreichster Fahrer im Quartett Erik Riss – Jörg Tebbe – Stephan Katt – Härtel.



Mehr Krimi geht eigentlich nicht mehr: Beim Stand von 34 für Frankreich, 33 für Finnland und jeweils 32 Zählern für Deutschland und Großbritannien ging es am Sonntag in Mühldorf vor rund 4000 Zuschauern in den letzten von sechs Durchgängen. Die Finnen trafen im ersten Rennen auf Tschechien und den vermeintlich schwächsten Gegner. Doch Josef Franc versalzte den Skandinaviern den in der Luft liegenden, ganz großen Coup. Finnland holte „nur“ 8:7 Punkte. Deutschland – Frankreich lautete das nächste Duell, das über alles oder nichts entscheiden konnte.

Doch dann rutschte Michael Härtel in der ersten Kurve weit vorne liegend weg und wurde disqualifiziert. Im Rerun stach Erik Riss als Erster aus der Kurve und gab die Führung nicht mehr ab. Hinter ihm lieferte Jörg Tebbe das Rennen seines Lebens – und knackte in der letzten Runde den bis dato Zeitplatzierten Stephane Tresarrieu. „Ich bin fast Steilwand gefahren, um noch den nötigen Schwung aufzubauen“, sagte Tebbe später. Damit zog Deutschland mit Finnland gleich. Ein Stechen war sicher. Selbst in der Hand hatten es zu diesem Zeitpunkt nur noch die Briten. Und: Sie nutzten ihre Chance. Obwohl oder trotz Jannick de Jong brannte, als ginge es um die Weltmeisterschaft für die Niederlande. Richard Hall machte sich nicht nur zum Matchwinner, sondern gleichzeitig auch zum Mann des Tages. Phillips und Appleton hielten ihre dritten und vierten Plätze. Zehn Gesamtpunkte, die genügten, um an Deutschland und Finnland vorbeizuziehen.

Für Deutschland holte Erik Riss gegen Aki-Pekka Mustonen die Kohlen aus dem Feuer, kreuzte am Ende der ersten Runde des Finnens Linie und gab den Sieg nicht mehr ab. Glücklich waren am Ende beide: Der Punktegarant aus Deutschland und der Finne, der mit seinem Team einen für viele überraschenden Podestplatz errang.

„Was uns betrifft, hat heute in Mühldorf einfach nur das Quentchen Glück gefehlt, das man für Gold immer auch haben muss“, erklärte DMSB-Teammanager Josef Hukelmann nach dem WM-Finale. Nach einem Auftaktsieg gegen die Niederlande mit 9:6 und demselben Ergebnis gegen Tschechien griff anstelle von Tebbe Stephan Katt im deutschen Team ins Geschehen ein. Ihm riss am Start eine Speiche. Riss und Härtel mussten sich den Finnen mit einem 7:8 geschlagen geben. 7:8 hieß es auch nach dem Aufeinandertreffen mit den Briten. Riss und Härtel fanden kein Mittel gegen ein mächtig auftrumpfenden Richard Hall. Was folgte, war das 9:6 gegen Frankreich, das Deutschland in letzter Minute noch einmal zurückkatapultierte.

Nach sieben gewonnenen Langbahn-WM-Titeln hielt sich die Enttäuschung der DMSB-Piloten in Grenzen. „Ich habe gewusst, es geht im letzten Lauf um viel und daher viel riskiert“ erklärte Nationalmannschafts-Debütant Michael Härtel: „Wir werden jetzt aber den Kopf nicht hängen lassen und wollen nächstes Jahr wieder ein Treppchen weiter nach oben.“ Ähnlich sah es auch Erik Riss: „Im Sport ist nie etwas klar. In der entscheidenden Situation haben wir einfach etwas unglücklich agiert.“ Des einen Pech, war des anderen Glück: Großbritannien reihte sich nun als dritte Nation neben Deutschland und den Niederlanden in die Reihe der Sieger der Team-Weltmeisterschaft ein, die in Mühldorf zum neunten Male ausgetragen wurde.

„Wir sind im Team mit unserer Leistung nicht unzufrieden. Ich für mich auch nicht. Ich bin in den letzten Lauf als punktbester deutscher Fahrer hineingegangen. Es gab fünf oder sechs Situationen heute, die den Grund dafür bildeten, warum wir den Titel nicht gewinnen konnten. Da war mein Ausrutscher nur ein Fehler von vielen“, sagte Härtel nach dem Rennen.

„Ich habe mich selbst geärgert, dass ich diesen Ausrutscher gehabt habe. Man darf den Kopf nicht hängenlassen. Ich habe in der Situation gewusst, ich muss vorbei fahren und da ist das eben unglücklich gelaufen. Deshalb muss man mit dem zufrieden sein, was herausgekommen ist. Als Vizeweltmeister braucht man sich nicht zu schämen und nächstes Jahr probieren wir, wieder ganz oben zu stehen.“

Text: Susi Weber (DMSB)/ts

Ergebnis Langbahn-Team-WM Mühldorf – 28. Juni 2015:

1.Großbritannien 41 Punkte (Glen Phillips 14, Andrew Appleton 8, Richard Hall 20, James Shanes 0)
2.Deutschland 41 + 3 Punkte (Jörg Tebbe 9, Michael Härtel 14, Stephan Katt 0, Erik Riss 18 + 3)
3.Finnland 41 Punkte + Ausfall Stechen (Jesse Mustonen 14, Aki Pekka Mustonen 23 + Ausfall, Aarni Heikkilä 3, Matias Maenpää 1)
4.Frankreich 40 Punkte (Stéphane Tresarrieu 14, Mathieu Tresarrieu 18, Dimitri Bergé 4, Théo Di Palma, 4)
5.Niederlande 31 Punkte (Jannick de Jong 23, Henry van der Steen 3, Sjoerd Rozenberg 5)
6.Tschechien (Josef Franc 18, Richard Wolff 7, Michal Dudek, 5, Michal Skurla, 0)